SIMURGH
Slavs and Tatars
Künstler*innen
- Slavs and Tatars
- Marcel Broodthaers
- Cevdet Erek
Kurator*innen
- Çağla Ilk
- Misal Adnan Yıldız
- Sandeep Sodhi
Dank an
Slavs and Tatars
Cevdet Erek
Estate Marcel Broodthaers
Galerie Kraupa-Tuskany-Zeidler
Sammlung Ringier
Gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.
Die Einzelausstellung des in Berlin ansässigen internationalen Kollektivs Slavs and Tatars trägt den Titel Simurgh, benannt nach einer majestätischen, mythologischen, vogelartigen Kreatur, die in der persischen, türkischen und weiteren eurasischen Geschichten verankert ist. Die Simurgh-Legende ist reich an Themen wie der Einheit und der Verbundenheit aller Lebewesen und liefert wertvolle Einblicke in Konzepte des Zusammenlebens und dessen Verbindung zu Demokratie, repräsentativer Politik, Selbstverwaltung und der Konstruktion von Hoffnung. Mit verschiedenen Medien – von Klang und Glasarbeiten bis hin zu Textilien und Spiegeln – lädt die Ausstellung Simurgh zu einem Dialog über Existenz, Zusammenleben und Zugehörigkeit ein und verwandelt die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden in einen Raum der Selbsterforschung.
Die Ausstellung Simurgh präsentiert neu in Auftrag gegebene Werke, die dieses eurasische Wesen mit dem Kontext von Baden-Baden und Baden-Württemberg verbinden. Dies geschieht durch die Tradition lebendiger, sich immer wieder erneuernder Erzählungen, Fabeln und Mythen, wie sie auch im Schwarzwald zu finden sind. Ausgewählte Werke des wegweisenden Konzeptkünstlers Marcel Broodthaers (1924–1976) sind als Referenzen in den Ausstellungsrundgang integriert, zusammen mit einer klangbasierten Rauminstallation des in Istanbul ansässigen Künstlers Cevdet Erek. Diese Elemente erweitern den Rahmen der Ausstellung symbolisch, architektonisch und klanglich.
Slavs and Tatars berufen sich auf Broodthaers’ bahnbrechendes Werk Musée d’Art Moderne: Département des Aigles (1968–71), in dem die Rolle des Adlers in der französischen und deutschen Heraldik, Literatur und Geschichte dekonstruiert wird. Dabei ersetzen sie den Adler als Symbol des Nationalismus durch die Figur des Simurgh, die eindeutig transnational, wenn nicht sogar metaphysisch ist.
Im Zuge ihrer kollektiven und diskursiven künstlerischen Praxis haben Slavs and Tatars Cevdet Erek eingeladen, den Hauptsaal der Kunsthalle gemeinsam zu bespielen. Erek greift für Courtyard Ornamentation with Four Sounding Dots and a Fake Shade (2024) eines seiner früheren Werke auf, das ursprünglich im Außenbereich präsentiert wurde, und richtet die Aufmerksamkeit auf das Thema Rhythmus. Dabei hebt er die Verbindungen zwischen Klangmustern und rhythmischen Wiederholungen hervor. Sein Werk legt den Schwerpunkt sowohl auf die auditiven Elemente als auch auf die visuellen Aspekte, die traditionell mit architektonischer „Ornamentik“ assoziiert werden.
Slavs and Tatars richten ihr Interesse seit jeher auf die Ränder der Wissensproduktion, die Grenzen von Glaubenssystemen sowie auf die Peripherien von Ritualen und weniger auf deren Zentren. Denn gerade an diesen Übergangsbereichen entfalten sich Synkretismus und Hybridität. Allerdings erscheint es ind er heutigen Zeit ebenso wichtig, das zu betonen und zu würdigen, was uns verbindet, wie das, was uns unterscheidet. Mit dieser Untersuchung unterschiedlicher Erscheinungsformen eines mythischen und metaphysischen Symbols in einer weitreichenden Region interpretiert Simurgh den Regionalismus neu – ein Konzept, das im Mittelpunkt der künstlerischen Praxis von Slavs and Tatars steht.
Die Ausbreitung dieses mythischen Vogels erstreckt sich von der Zentralukraine (Semargl, einer der neun heidnischen Götter des vorchristlichen Kyivan Rus) bis in die Uigurische Region im heutigen China. Zu den bekanntesten Allegorien des Simurgh gehört das Konzept der Einheit in der Vielfalt aus dem Sufismus. In der Dichtung Die Konferenz der Vögel von Farid ud-Din Attar (1145–1221) begeben sich die Vögel auf der Suche nach ihrem Anführer, dem legendären Simurgh, auf eine lange Reise. Am Ende erkennen sie jedoch, dass Gott, oder das Transzendente, in ihnen selbst wohnt.
In der Ausstellung bildet diese Dichtung aus dem 12. Jahrhundert, in dem der Simurgh als erzählerisches Element dient, den kuratorischen Rahmen. Um den legendären Berg Qaf zu erreichen, müssen die Vögel sieben Täler durchqueren: das Tal des Willens, der Liebe, der Unwissenheit, des Zweifels, der Einsamkeit, der Gerüchte und schließlich das Tal des Selbst. Die Ausstellung folgt dieser Erzählstruktur und kombiniert frühere Werke von Slavs and Tatars mit neuen Arbeiten, die sich mit der Figur des Simurgh auseinandersetzen.
Simurgh (2025) ist ein Auftragswerk der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden und des Frac des Pays de la Loire, Nantes, Frankreich. Die Einzelausstellung wird erstmals in beiden Institutionen präsentiert: in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden vom 14. Februar bis 18. Mai 2025, gefolgt von einer Ausstellung im Frac des Pays de la Loire im Sommer 2025.