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45cbm: Riccardo Paratore

Private Means

30.01.–31.03.2016

Künstler*in

  • Riccardo Paratore

Kurator*in

  • Hendrik Bündge

Für seine Ausstellung Private Means stellte Riccardo Paratore die organisatorischen Mechanismen der Institution Kunsthalle auf die Probe. Bereits im Vorfeld der Ausstellung reichte er nicht etwa die Rechnungen für das Einrahmen von Gemälden oder Fotografien ein oder ließ sich die Produktionskosten für eine Skulptur oder Installation ausbezahlen. Ohne genau zu wissen, welche Gegenstände er erwerben würde, erhielt er nach einigem bürokratischem Aufwand von der Buchhaltung der Kunsthalle eine Abschlagszahlung in Höhe von 800,- Euro. Mit dieser Summe kaufte Paratore in Paris neue Chelsea Boots des französischen Modelabels Saint Laurent für 695,- Euro, sowie ein Flakon Eau de Toilette „Opium“ desselben Labels mit der verbleibenden Summe. Die Schuhe wurden von ihm mit weißen Farbspritzern versehen und waren der einzige materielle Gegenstand der Ausstellung. Allein beidseitig bedruckte Din-A4-Papiere, die Informationen über den Ausstellungstitel Private Means sowie weitere Überlegungen Paratores zur Begründung des Erwerbs enthielten, und mit einem Zitat aus Friedrich Theodor Vischers 1879 erschienenem Aufsatz „Mode und Cynismus“ endeten, lagen ebenfalls aus. In seinem Text klärte Paratore zunächst den englischen Begriff „Private Means“, der im Deutschen mit 'Privatmittel' übersetzt werden könnte und auf den sich das deutsche Wort 'Privatier' bezieht, das es so im Französischen allerdings nicht gibt. „Dieser Umstand, oder besser gesagt Komfort, ist von Interesse, weil der Einfluss des sozialen Hintergrunds (Klassenzugehörigkeit) des Künstlers im Œuvre oft schwer erkennbar ist und häufig nur über biographische Daten zu rekonstruieren ist. Ein zweiter kundiger Blick auf Künstler und oder Werk lässt dann doch oft gewisse Nuancierungen zu“, hieß es weiter im Text.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Parallelität der Beurteilung als Form einer Einordnung, die Paratore zunächst aus Sicht des Künstlers mit Blick auf das Werk vornimmt, die jedoch im Alltag mit Blick auf die Kleidung und hier vor allem auf die Schuhe erfolgt: sind diese sauber oder gedreckt, und um welche Gattung von Schuh handelt es sich? In diesem Kontext sind die neuen, ungetragenen Schuhe von Saint Laurent zu betrachten: mit den aufgetragenen Farbspuren verlieren sie den Reiz des Neuen, werden aber gleichzeitig als Schuhe eines vermeintlichen Bohemiens der Künstlerklasse aufgewertet. Die 'Musterung' der Kleidung zu Distinktionszwecken fand ironischerweise am Eröffnungsabend der Ausstellung „Private Means“ am 29. Januar 2016 ihre Entsprechung: Zufällig hatte ein Lions-Club das an den Studioraum der Kunsthalle anschließende Café der Kunsthalle für ein Abendessen gemietet. Beim Aufeinanderprallen der Besucher von Paratores Ausstellung und den Mitgliedern kam es zu absurden Szenen. So wurde der Künstler selbst von einem Mitglied gemustert und anhand seiner Kleidung als Nicht-Mitglied identifiziert. Er solle doch bitte nun gehen, da er und seine Freunde das Café gemietet hätten und nun ungestört den Abend verbringen möchten.

Mit dem erstmals 1977 eingeführtem Eau de Toilette „Opium“ wurden die ausliegenden Informationsblätter besprüht, so dass dieser fruchtig-würziger Duft als olfaktorisches Wahrnehmungserlebnis ebenfalls den Raum der Ausstellung füllte. Die Kombination aus teuren Lederschuhen, mit dem eher preiswerten Duft derselben Marke, spiegelt die Absurditäten des Branding und Begehrens – nicht nur – im Modebereich wider: so erzielen die großen Modehäuser vor allem mit den von ihnen vertriebenen Parfums die höchsten Umsatzzahlen. All jene, die sich die Kleidung oder Schuhe von Saint Laurent nicht leisten können, haben über das Parfum die Möglichkeit, doch an diesem Markenkult zu partizipieren. Gleichzeitig können die farbverschmierten Schuhe als Anwesenheitsgeste Paratores verstanden werden, zumal sie in einem Kontrapost platziert waren: Der Künstler ist durch sein Werk anwesend. Die Schuhe können darüber hinaus als erweiterte Malerei begriffen werden, bilden sie doch den Bildträger für die Farbe. Mit dieser einfachen Geste übte Paratore eine erweiterte Form von Institutionskritik, nicht zuletzt da diese Art der Produktionskostenauszahlung in einem Ausstellungshaus eher selten ist. Passend zu Friedrich Theodor Vischers Zitat, waren die Türen des Ausstellungsraums nur halb geöffnet: „Die These heißt: man darf dem Cynismus auch nicht eine Spanne weit die Tür öffnen, sonst wird unaufhaltsam, unberechenbar die breite Rohheit den Spalt erweitern und in Massen eindringen. Antithese: Wird die Tür unerbittlich verschlossen, so wird es im Zimmer so langweilig, ja entsteht solche parfümierte moralische Stickluft, dass es nicht auszuhalten ist.“ Die Mitglieder des Lions-Club pflegten am Eröffnungsabend unter sich zu sein. Den Raum zu Paratores Ausstellung betraten sie nicht.

Hendrik Bündge

Private Means

is a term describing income from any source except earned income or state benefits. In German an individual living of private means is termed a “Privatier”, a word that pretends to be French, whereas in French itself it doesn’t exist, and thus seems coined by a premeditated sophistication of the german-bourgeois milieu. This circumstance, or better this comfort, is of interest, as the impact of an artist’s social background or class affiliation on the OEuvre is often hard to decipher and can typically only be reconstructed from biographical data. Yet a second informed gaze frequently allows certain nuances to be detected.

Contemporary nuances:

Group A: Post Upper-Class “Punk”Traces of physical / creative labour, such as dirt, splattered paint, etc.

Group B: Post Working-Class SnobNice / expensive things treasured with delicate respect.

Many times when entering an institution like a bank, boutique or club the second scrutinizing look is directed towards the shoes. Many of my upper-class friends wear the most ordinary shoes.

The paths of Group A and B intersect.

Two products from the same manufacturer for differing target group.

http://www.ysl.com/us/shop-pro...

http://www.amazon.com/Yves-Sai...

“The hypothesis is: One shall not even open a crack of the door to cynicism, otherwise blunt grossness will inexorably, unpredictably expand the opening and mass-invade. Antithesis: Is the door impenetrably shut, the room will turn so utterly boring, yes, will acquire such a moralistic stale-air, that it becomes unbearable.”

- Fashion and Cynisism, 1879, Friedrich Theodor Vischer

Eröffnung: Freitag, den 29. Januar 2016, 19 Uhr

Begrüßung: Johan Holten, Direktor der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden

Einführung: Hendrik Bündge, Kurator der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden

Öffnungszeiten

Montag
Geschlossen
Dienstag
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Mittwoch
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Donnerstag
10-18 Uhr
Freitag
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Samstag
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Sonntag
10-18 Uhr

Preise

Erwachsene
7 €
Ermäßigt
5 €
Schüler*innen
3 €
Familie
11 €
Kombiticket Museum Frieder Burda
18 €
Kombiticket Museum Frieder Burda ermäßigt
14 €
Museumspass
0 €

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